23.01.2025
Die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren ist gemäß den Anforderungen an die Verdachtsberichterstattung unter anderem daran gebunden, dass der Angeklagte vor der Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Auch muss seine Reaktion in die Berichterstattung einfließen, wie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main klarstellt.
Der Kläger wendet sich gegen zwei hebräische Veröffentlichungen des Beklagten im Internet. Er hat seinen Wohnsitz in Hessen und ist israelischer Staatsbürger. Der Beklagte berichtete unter Nennung des Vor- und Zunamens des Klägers sowie eines Fotos über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren: Deutschland fordere die Auslieferung des Klägers, um ihn wegen Betrugs innerhalb einer kriminellen Vereinigung zu verfolgen. Er sei auf seinem Weg von Israel nach Kiew verhaftet worden.
Das Landgericht hatte den Eilantrag des Klägers auf Unterlassung der Berichterstattung abgelehnt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte überwiegend Erfolg. Der Kläger könne Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung verlangen, entschied das OLG. Denn diese sei hier unzulässig.
Eine den Beschuldigten identifizierende Berichterstattung über die Verfolgung einer Straftat beeinträchtige zwangsläufig sein Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes. Das Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts überwiege hier auch die schutzwürdigen Interessen auf Meinungs- und Pressefreiheit.
Die Presse dürfe zwar nicht grundsätzlich auf anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. "Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien", erläutert das OLG. Die Verletzung der Rechtsordnung begründe grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter.
Die hier zu beurteilende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten unterfalle dem Bereich der Verdachtsäußerungen. Diese seien nur zulässig, wenn vor der Veröffentlichung eine Konfrontation des Betroffenen mit dem konkreten Gegenstand der geplanten Berichterstattung erfolgt ist und er dazu Stellung nehmen konnte.
Hier habe keine Anhörung stattgefunden. Sie sei auch nicht ausnahmsweise verzichtbar gewesen – selbst wenn damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Angeklagte die Vorwürfe lediglich pauschal zurückweist. Dem Betroffenen solle durch die Anhörung grundsätzlich ermöglicht werden, seinen Standpunkt zur geplanten Berichterstattung zum Ausdruck zu bringen. Der Standpunkt solle zudem in der Berichterstattung sichtbar werden. Dabei sei auch ein bloßes Dementi geeignet, einer Vorverurteilung zu begegnen.
Der Kläger könne auch verlangen, dass von ihm keine Bilder im Zusammenhang mit der Berichterstattung veröffentlicht werden, so das OLG weiter. Auch hier seien die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Zwar sei das hier verwendete passbildähnliche Bild kontextneutral und nicht eigenständig verletzend. Allerdings sei der Kläger keine in der Öffentlichkeit stehende Person; zudem sei über den Verdacht der Begehung einer Straftat berichtet worden, ohne die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu wahren. Die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht sei schließlich durch die Veröffentlichung von Bildnissen deutlich höher als bei bloßer Wortberichterstattung. Die visuelle Erkennbarkeit berge das Risiko einer nochmals verstärkten "Prangerwirkung".
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.11.2024, 16 W 50/24, unanfechtbar