03.11.2025
Gutscheincodes zur Nutzung im Online-Netzwerk X sind – unabhängig vom Vertriebsweg – so genannte Einzweck-Gutscheine, deren Übertragung der Umsatzsteuer unterliegt. Denn, so der Bundesfinanzhof (BFH), aufgrund der Länderkennung der Nutzerkonten stünden bereits bei der Ausgabe der Leistungsort in Deutschland und die Höhe der Umsatzsteuer fest.
Seit 2019 wird umsatzsteuerrechtlich nach § 3 Absatz 14 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Ausgabe und die Übertragung eines so genannten Einzweck-Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, angesehen. Die Umsatzsteuer ist daher bereits zu diesem Zeitpunkt an das Finanzamt zu entrichten. Handelt es sich hingegen um einen so genannten Mehrzweck-Gutschein, fällt erst bei der Einlösung des Gutscheins die Umsatzsteuer an. Jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins unterliegt dagegen nicht der Umsatzsteuer (§ 3 Absatz 15 Satz 2 UStG).
Ein Einzweck-Gutschein liegt vor, wenn bei Ausstellung eines Gutscheins im Sinne des § 3 Absatz 13 UStG zum einen der Ort der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und zum anderen die für die Leistung geschuldete Steuer feststeht (§ 3 Absatz 14 Satz 1 UStG). Gutscheine, die keine Einzweck-Gutscheine sind, sind Mehrzweck-Gutscheine (§ 3 Absatz 15 Satz 1 UStG).
Im Streitfall vertrieb die Klägerin über ihren Internetshop Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für das X-Netzwerk (ein elektronisches Portal mit digitalen Inhalten) an Endverbraucher mit einem deutschen Nutzerkonto (Länderkennung DE). Die Endverbraucher konnten im X-Netzwerk viele verschiedene elektronische Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Zuvor hatte die Klägerin die Codes von Zwischenhändlern aus anderen EU-Mitgliedstaaten erworben.
X war bei Ausgabe der Codes davon ausgegangen, dass es sich um Einzweck-Gutscheine handelt. Die Klägerin erfasste die Umsätze in ihren Umsatzsteuererklärungen nicht und brachte vor, dass es sich bei den Codes um Mehrzweck-Gutscheine handele, weil der Erwerb über Zwischenhändler im EU-Ausland zulässig sei. Finanzamt und Finanzgericht (FG) teilten diese Einschätzung nicht. Sie meinten, die Codes stellten so genannte Einzweck-Gutscheine dar, sodass die Übertragung der Codes an die Endverbraucher der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Entscheidend sei, dass aufgrund der deutschen Länderkennung der Ort der Leistung an die Endverbraucher in Deutschland feststehe.
Der BFH rief im Jahr 2022 zur Klärung dieser Frage den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an (Beschluss vom 03.11.2022 – XI R 21/21). Der EuGH entschied mit Urteil vom 18.04.2024 (C-68/23), nur der Ort der Leistung an die Endverbraucher müsse zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Gutscheins feststehen. Ob der Gutschein vor der Einlösung über Zwischenhändler übertragen wird, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, sei unerheblich. Ebenso wenig entscheidend sei, dass Gutscheincodes möglicherweise unter Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen der X von Endverbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten eingelöst werden.
Mit seinem Beschluss vom 25.06.2025 hat der BFH diese rechtlichen Vorgaben des EuGH nunmehr umgesetzt. Weil nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nur eine Einlösung von in Deutschland ansässigen Endverbrauchern in Betracht kommt, stehe der Ort der Leistung in Deutschland fest. Da nur digitale Inhalte, die dem Regelsteuersatz unterliegen, abrufbar waren, habe es sich bei den Gutscheincodes um Einzweck-Gutscheine gehandelt. Ihre Übertragung unterliege der Umsatzsteuer. Die Einstufung, die X bei der erstmaligen Ausgabe der Gutscheincodes vorgenommen hatte, erweise sich daher als zutreffend. Die Besteuerung von Gutscheinen hängt laut BFH nicht vom Vertriebsweg ab. Der Erwerb direkt beim ausgebenden Unternehmer werde genauso besteuert wie der Erwerb über einen oder mehrere Zwischenhändler.
Die Entscheidung erging nach Angaben des BFH zu Gutscheinen, die (unabhängig vom Zeitpunkt der Einlösung) nach dem 31.12.2018 ausgeben wurden. Zu Gutscheinen, die vor dem 01.01.2019 ausgegeben wurden, hat der BFH bereits am 29.11.2022 entschieden, dass es bei der Übertragung von Gutscheincodes zu einer Steuerentstehung kam, weil diese Codes wie eine Ware gehandelt wurden und außerdem die Anzahlungsbesteuerung eingriff (XI R 11/21). Die praktischen Ergebnisse nach alter und neuer Rechtslage unterscheiden sich mithin nicht.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.06.2025, XI R 14/24 (XI R 21/21)