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30.03.2023

"Mobbing" eines Beamten: Kann zu Schadenersatz führende Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn sein

Ein Beamter kann Anspruch auf Schadenersatz gegen seinen Dienstherrn haben, wenn dieser seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren – insbesondere durch Vorgesetzte – zulässt. Ob dies der Fall ist, könne nur aufgrund einer Gesamtschau der in Rede stehenden Geschehnisse beurteilt werden, hält das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) fest.

Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin im Dienst der beklagten Gemeinde. Sie war seit 2007 mit der Leitung des Fachbereichs "Bürgerdienste, Recht und Ordnung" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, die eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei zur Folge hatte. Die Klägerin wurde auf die neu gebildete "Stabsstelle Recht" umgesetzt. Die dortige Verwendung entsprach nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) nicht dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung.

Im Rahmen der Umsetzung wurde der Klägerin ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen. Aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bedenken gegen die ins Dachgeschoss führende "steile Treppe" wies die Beklagte den betroffenen Bediensteten im Juni 2015 andere Dienstzimmer zu. Im Dezember 2015 stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin unter anderem vorgeworfen wurde, sie habe sich "über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit'" geflüchtet.

Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben. Ihre auf Schadenersatz gerichtete Klage war vor dem VG erfolgreich, wurde in der Berufungsinstanz indes abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG die Sache an das Oberverwaltungsgericht (OVG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Berufungsurteil verstoße gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgeht. Die Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten Rechtsverletzung liege gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab habe das OVG nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen. Darüber hinaus habe es den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbürgermeister der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats vorab bekannt war, fehlerhaft abgelehnt. Zudem beruhe die Ablehnung des Beweisantrags, über die gesundheitlichen Auswirkungen der amtsunangemessenen Beschäftigung der Klägerin ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf einem fehlerhaften Kausalitätsmaßstab.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.03.2023, BVerwG 2 C 6.21